Abgrenzung eines Nahrungsergänzungsmittels gegenüber der Arzneimitteleigenschaft eines Fitness-Produkts – “S G”
Beschluss des OLG Celle vom 24.06.1999
13 O 320/98
Leitsatz:
1. Zur Frage, ob es sich bei dem in einer Bodybuilding-Zeitschrift beworbenen Produkt zur Förderung des Muskeltrainings (4-Amino-Buttersäure) um ein Arzneimittel handelt, dessen Vertrieb ohne die nach dem Arzneimittelgesetz vorgeschriebene Zulassung gegen § 1 UWG verstößt.
2. Bei Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich jedenfalls dann nicht um Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1. AMG, § 1 LMBG, wenn die Nahrungsergänzungsmittel nach ihrer überwiegenden Bestimmung zu anderen Zwecken als zur Ernährung verzehrt werden.
Anmerkungen:
1. Kurzsachverhalt:
Dem Beschluss lag der Sachverhalt zu Grunde, dass die Beklagte für ihr Präparat “S G”, das ausschließlich aus 4-Amino-Buttersäure besteht, u. a. mit dem Begriff “100 % Pharma-Qualität” warb. Die von der Beklagten begehrten Unterlassung, die das LG zusprach, fußte insbesondere auf dem Umstand, dass Gamma-Aminobuttersäure Arzneimittel sei, aber eine arzneimittelrechtliche Zulassung nicht bestand.
2. Begründungsansatz des OLG Celle:
Das OLG Celle hielt in seinem Beschluss einen Anspruch gem. § 1 UWG in Verbindung mit den §§ 2, 16 AMG für begründet. Es knüpft dabei rechtlich an § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG in Verbindung mit § 1 LMBG an und prüfte sachlich zunächst die Frage, ob ein Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG vorliege. Lebensmittel sind nach dieser Vorschrift solche Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen verzehrt zu werden, wobei wiederum die Stoffe ausgenommen werden, die “überwiegend” zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. Ausgehend von der Zweckbestimmung der Stoffe und abstellend auf die Verkehrsanschauung stelle die Verwendungsmöglichkeit ein maßgeblich objektives Merkmal dar. So seien Nahrungsergänzungsmittel als solche Lebensmittel nur dann, wenn der Verzehr auf Ernährungsgründe zurückzuführen sei, also bspw. eine Unterversorgung zum Rückgriff auf derartige Nahrungsergänzungsmittel führe. Aus der Verkehrsanschauung ergebe sich die überwiegende Bestimmung zu anderen Zwecken als zur Ernährung, weil im konkreten Fall kein Genusswert sei, die Werbung “100 % Pharma-Qualität” nicht für ein Nahrungsergänzungsmittel spreche, Gamma-Aminobuttersäure grundsätzlich als Medikament anerkannt sei, die Dosierungsangaben auf der Verpackung aus der Sicht der Verwender nicht für ein Nahrungsergänzungsmittel spreche (“pro Tag 3 bis 4 g, 30 Minuten vor der Bettruhe 2,6 g und morgens auf nüchternen Magen 1,3 g…”) und zwar keine Wirkungsangaben auf der Verpackung vorhanden sei, aber ein Verweis auf die Fachliteratur, in der wiederum von einem Arzneimittel gesprochen werde.
3. Stellungnahme:
Vom Ergebnis ist dem Beschluss zuzustimmen. Denn nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel zunächst einmal solche Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung an oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden und krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu verkennen und ferner auch solche Substanzen, die im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers beeinflussen. Nach § 1 Abs. 1 LMBG sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand vom Menschen verzehrt zu werden, wobei ausdrücklich solche Stoffe ausgenommen sind, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG ist die Abgrenzungsnorm zwischen Arzneimittel einerseits und Lebensmittel andererseits, da hiernach Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG keine Arzneimittel sind, woraus wiederum folgt, dass Stoffe als solche nicht gleichzeitig Lebens- und Arzneimittel sein können. Dies hatte der Bundesgerichtshof bereits in seiner Knoblauch-Kapsel-Entscheidung (BGH NJW 1995, 1615) klargestellt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Lebensmittel oder ein Arzneimittel vorliegt, muss mit der Frage des Vorliegens eines Lebensmittels begonnen werden. Besteht danach das Produkt aus solchen Stoffen, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung und zum Genuss verzehrt zu werden, liegt kein Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel vor. Im zweiten Schritt ist dann zu überprüfen, ob diese Zweckbestimmung, die anhand dem Produkt beigefügten, Werbeprospekten, Gebrauchsanweisungen usw. aus der Verbrauchersicht vorgenommen wird, dazu führt, ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG vorliegt. Kritisch ist in diesem Zusammenhang, wenn eine “Beeinflussung von Körperfunktionen” durch das Produkt “überwiegend” vorliegt. Aus den vom OLG Celle dargestellten Gründen waren hierzu ausreichend Indizien vorhanden.